Mar 30

Sackgasse Krise?! Warum eine gesunde Führung in Krisenzeiten wichtig ist


Ein Lernartikel von Katrin Gausmann 
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Egal wo wir hinsehen - Krise: Personalkrise, Corona-Krise, Energiekrise, Klimakrise, Krieg …. Es fühlt sich aktuell oft so an, als sei die Zeit der Krisen. Doch ist das wirklich so? Oder schauen wir nur in eine Richtung? Was passiert, wenn wir unsere Blickrichtung ändern?

Im Sozial-, Bildungs- und Gesundheitssektor ist die Personalkrise in aller Munde. Mitarbeitende wenden sich ihren Bereichen ab. Der demografische Wandel wirkt sich aus. In den kommenden Jahren gehen mehr Menschen (Generation Baby-Boomer) in Rente, als die Zahl an Menschen, die voraussichtlich ausgebildet werden. Im Laufe unseres Lebens wandelt sich unsere Arbeitsfähigkeit. Wir brauchen viel mehr altersgerechte Arbeitsplätze. Jedes Alter hat ihre besonderen Bedürfnisse an den Arbeitsplatz. Nur wenn diese berücksichtigt werden, werden Mitarbeitende ihr volles Potenzial ausschöpfen. Das braucht Zeitressource. Stattdessen nimmt die Ressource Mitarbeitende, bei steigendem Bedarf an Betreuung und Pflege in der Gesellschaft ab. Bei den bleibenden Mitarbeitenden steigt in Folge die Belastung. Geht Bei bleibenden Mitarbeitenden steigt die Belastung. (Psychische) Erkrankungen von Mitarbeitenden nehmen deutlich zu und die Ausfallzeiten steigen. uns die Ressource Mensch aus? Angebote werden reduziert oder gar geschlossen – vor einigen Jahren noch unvorstellbar.

Aussichtslos? Nein. 

Blicken wir auf die Leuchttürme: Auf die Organisationen und auf die Teams, die scheinbar unberührt von der Krise sind. Was ist in diesen Organisationen anders? Nicht nur, dass sie häufig bereits vorher ein starkes Fundament aus Haltung und wahrem Miteinander gebaut haben, sie fokussieren sich auf Lösungen, statt in Problemtrancen zu verfallen. Sie begegnen den Krisen anders.

Führung ist dabei ein entscheidender Schlüssel. Sie trägt erheblichen Anteil an der Gesundheit der Organisation und der Mitarbeitenden. Das eine funktioniert nicht ohne das andere. Führungskräfte sind sich oftmals gar nicht ihrer Wirkung auf die Gesundheit der Mitarbeitenden bewusst. Sie können Ressource oder Risikofaktor sein.

In den letzten Jahren war die Entwicklung der Organisationen immer stärker von steigenden fachlichen Ansprüchen und gleichzeitig steigendem Kostendruck geprägt. Wir wollten immer schneller, besser und mehr mit immer weniger Einsatz und Ressourcen erreichen. Komplexe Managementsysteme sollen unsere Arbeit optimieren.

Mit Vollgas in die Sackgasse

Der demographische Wandel, der Personalmangel, steigende Fehlzeiten und psychische Erkrankungen sind nicht ohne Vorwarnung gekommen. Schon vor Jahrzehnten wurde über diese Anzeichen gesprochen, jedoch schien der Schmerz nicht groß genug, um wirklich etwas zu verändern. Zu all dem kam die Corona-Krise wie ein Brandbeschleuniger und wir haben in unserer Generation das erste Mal persönlich gespürt, dass Ressourcen endlich sind. Nun stehen wir in der Sackgasse und müssen uns entscheiden: Wir können uns als Opfer der Umstände ergeben und weiterkranken oder innehalten, die Situation akzeptieren und gemeinsam einen neuen Weg einschlagen.

Anders als in der Sackgasse im Straßenverkehr, hat sich für uns die einfache Rückkehr verbaut. Das heißt, wir kommen nicht weiter, indem wir die alten Zeiten herbeisehnen und die veränderte Welt verteufeln. Die Antworten und Strategien früherer Zeiten werden uns heute nicht auf neue Wege bringen. Der Schlüssel wird sein, uns zu vertrauen und mit den Möglichkeiten unserer Zeit neue Wege zu finden. Künstliche Intelligenz und Digitalisierung können uns unterstützen und entlasten. Den Menschen werden sie in seiner Einzigartigkeit nicht ersetzen können. Diese werden wir weiter pflegen müssen. In all dem Optimierungswahn der letzten Jahrzehnte scheinen wir vergessen zu haben, dass wir Menschen und nicht Maschinen sind. Wir haben bedeutende Grundbedürfnisse, die erfüllt sein müssen, damit wir unser volles Potenzial ausschöpfen können.

Was Mensch und Maschine eint? Sie brauchen Energie für Leistung

Das, was für das Auto das Benzin ist, ist für uns Menschen die Erfüllung der Grundbedürfnisse. Und diese sind viel mehr als die physiologischen Grundbedürfnisse wie z.B. Essen und Trinken. Zu diesen gehören: Das Gefühl von Zugehörigkeit und Sicherheit, von Anerkennung und Selbstverwirklichung. Das hat Abraham Maslow schon vor 80 Jahren in seiner Bedürfnispyramide festgehalten.

In meinem Ansatz der MenschArt-Führung, nehme ich genau dies wieder auf. Menschen sind von Grund auf motiviert. Ich bin überzeugt von dem Menschenbild Y, welches davon ausgeht, dass jeder Mensch intrinsisch motiviert und leistungsbereit ist, sofern für seine Grundbedürfnisse im Grundsatz gesorgt ist und er sich mit den Zielen und Werten des Unternehmens identifizieren kann. Wenn Mitarbeitende unmotiviert scheinen, gibt es drei Möglichkeiten:

  1.  Der Treibstoff, die Erfüllung der Grundbedürfnisse, ist nicht ausreichend vorhanden
2. Der Mensch hat die falsche Aufgabe. Es gibt jedoch Grenzen, denn nicht jeder ist für jede Aufgabe geeignet. Es gehört nicht nur das Wollen, sondern auch das Können dazu.
3. Der Rahmen stimmt nicht. Wenn die Arbeitsbedingungen nicht zum Arbeitsauftrag passen, wird die Motivation zwangsläufig sinken.

Genau hier liegen die Ansatzpunkte für eine nachhaltig gesunde und menschengerechte Führung. Doch bevor wir zur Mitarbeiterführung kommen: Führung fängt mit Selbstführung an. Nur wer gut für sich sorgt, kann gut für andere Sorgen. Als Führungskraft bist du, ob du willst oder nicht, Vorbild. Wissenschaftliche Studien zeigen mittelbar, dass das eigene Gesundheitsverhalten von Führungskräften sich auf die Gesundheit ihres Teams auswirkt. Noch schlechter als ein schlechtes Vorbild zu sein, ist es, ein inkongruentes Vorbild zu sein, also Leitbilder und Verhaltenskodexe für alle zu bestimmen und sie selbst nicht umzusetzen. Erwarte nichts, was du nicht selbst bereit bist zu leben. Das heißt nicht, dass du keine Fehler machen darfst, das macht dich sogar menschlich. Aber du solltest dein Verhalten mit den gleichen Maßstäben messen, wie das deiner Mitarbeitenden. Das schafft eine vertrauensvolle Ebene.

Schließe nicht von deinen Bedürfnissen auf die Bedürfnisse anderer. Die Ausprägungen der Bedürfnisse sind individuell. Unsere Bedürfnisse werden durch unsere Biografie beeinflusst. Wir alle haben unterschiedliche Erfahrungen in unserem Leben gemacht. Nehmen wir das Bedürfnis nach Sicherheit und Stabilität. Für den einen Menschen sind jegliche Veränderungen eine Bedrohung und der andere Mensch sehnt sich nach Freiheit und Flexibilität. Die Führungsaufgabe besteht darin, Menschen zu bestärken, eigenverantwortlich für ihre Bedürfnisse zu sorgen und sie bei der Lösungsfindung zu unterstützen. Nehmen wir an, du hast einen Mitarbeitenden, dem die vielen digitalen Neuerungen Angst machen. Geht es nicht darum, ihn vor diesen zu bewahren? Das wäre wie in der Sackgasse stehen zu bleiben. Gesunde Führung heißt, Sicherheit und Orientierung zu geben, damit der Mensch einen Weg findet, mitgehen zu können und nicht abgehängt zu werden.

Menschengerechte Führung

Damit der Führung das gelingt, braucht es Nähe, Raum und Zeit. Zu viele Führungskräfte haben zu viele operative Aufgaben und nehmen sich zu wenig Zeit für die Mitarbeiterführung. Die Aufgabe der Führung ist es, einen Rahmen zu gestalten, der Mitarbeitenden Handlungsspielraum schenkt. Wir werden handlungsfähig, wenn wir Klarheit über unsere Situation haben, unsere Ressourcen kennen und soziale Unterstützung erfahren. Wir sind schnell darin nach Möglichkeiten zu suchen, äußere Belastungsfaktoren ändern zu wollen und vergessen dabei, mit sozialer Unterstützung die Ressourcen zu stärken. Überlege mal, wie viel Energie bei dir und deinem Team verloren geht, weil ihr mit den äußeren Belastungen hadert. Um im Bild der Sackgasse zu bleiben: Ihr im Wendehammer verharrt und immer wieder versucht weiter geradeaus zu gehen, statt inne zu halten und gemeinsam nach neuen Ideen zu suchen, auch wenn sie vermeintlich einen Rückschritt bedeuten. Gemeinsam Krisen zu durchleben und an ihnen zu wachsen, stärkt und macht uns auf Dauer resilienter. Wir brauchen eine Lernkultur, in der Fehler erlaubt sind und die unterschiedlichen Fähigkeiten des Einzelnen geschätzt werden. Viel zu viel Zeit und Energie fließen in Position- und Teamkonflikte. Warum? Weil Menschen sich in ihrer Person nicht wertgeschätzt fühlen, sie Anerkennung suchen und sich in ihren Bedürfnissen bedroht fühlen.

Die Lösung ist nicht, die Augen vor den Konflikten zu schließen, sondern Raum zu geben, diese zu klären. Es braucht echtes Interesse der Führungskraft am Menschen und die Bereitschaft, sich selbst als Mensch einzugeben. Das Besondere ist, dass wir Menschen unperfekt perfekt sind. Wieder ein Unterschied zur Maschine. Das übermäßige Streben nach Perfektionismus macht uns müde und auf Dauer krank. Auch als Führungskraft bist du kein Superheld oder Übermensch. Du kannst und musst nicht alles können und wissen. Deine Aufgabe ist es, einen Raum und eine Kultur zu schaffen, in dem Mitarbeitende ihre Stärken einbringen können und wollen. Lasse das Potenzial deines Teams nicht ungenutzt.

Die Rolle der Entdecker:in

Verstehe dich als Führungskraft als Entdecker:in. Auch du kennst nicht alle Wege. Unterstütze dein Team, indem du sie auf der Suche nach dem Weg begleitest und stärkst. Um dies tun zu können, braucht es Beziehung und Austausch. Viele Führungskräfte haben sich während der Krise in ihrer Unsicherheit in den Elfenbeinturm zurückgezogen. Die, die eng an ihren Mitarbeitenden dran waren und sie unterstützt haben, sind gesünder und stärker aus der Krise gekommen. Dir ist das nicht gelungen? Es wird gute Gründe gehabt haben. Aber, kein Problem. Heute ist ein neuer Tag. Fang einfach jetzt an, den Kontakt zu suchen, Probleme anzusprechen und zu klären. Klarheit hilft, Ängste abzubauen.
Unentschlossenheit, Unausgesprochenes und Geschöntes verstärken die emotionale Belastung.

Gerade in Krisenzeiten ist es wichtig, echte Verbundenheit und Gemeinschaft zu fördern. Dazu gehört, gemeinsam zu fluchen, zu lachen, einfach gemeinsam Mensch zu sein. Es ist wichtig, eine Atmosphäre zu schaffen, in der ehrlich ausgesprochen werden darf, was jeder ahnt und spürt, so dass niemand verstellen muss. Denn das kostet Kraft und ist einer der Stressfaktoren unserer Zeit. Es bedarf radikale Ehrlichkeit. Immer mehr Fach- und Führungskräfte kranken an ihrem fachlichen Anspruch, den sie aufgrund fehlender Ressourcen nicht umsetzen können. Daher braucht es nicht nur innerhalb der Teams Dialog, sondern auch mit allen Stakeholder:innen, wie beispielsweise mit Unternehmensleitungen, Klient:innen und deren Angehörige und der Gesellschaft und Politik. Die Grenzen müssen benannt sein und eine Klarheit darüber, wer für was wirklich verantwortlich ist.

Denke ich an die Fachkraft, die wieder einmal allein im Dienst war und sich schlecht fühlt, weil sie wieder keine Zeit für ein wichtiges Gespräch mit einem Klienten/ Kind hatte, wieder ein Angebot nicht durchführen konnte, vielleicht sogar Sorge hat, Ärger zu bekommen, weil sie wieder nicht alles auf der To-Do-Liste geschafft hat. Lasst sie nicht allein damit. Sie ist für die Umstände nicht verantwortlich. Sie wird ihr Bestes an diesem Tag gegeben haben und verdient jede Unterstützung, insbesondere die soziale.

Wir werden in den kommenden Jahren neue Bilder unserer Fachlichkeit entwickeln müssen, damit wir mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielen können. Wir brauchen eine gemeinsame und erreichbare Vision. Wie sieht gute Erziehung aus? Wie gute Pflege? Wie gute Teilhabe? Dafür müssen wir uns gemeinsam auf den Weg machen. Die Krise hat uns gezeigt, dass unsere alten Pfade nicht mehr gangbar sind. Gesunde und menschengerechte Führung ist hierfür ein Werkzeug, um Menschen in ihre Kraft zu bringen, damit sie mutig neue Wege und Lösungen suchen und die Chancen, die uns unsere Zeit und unsere Entwicklungen bringen, nutzen können.

Unsere derzeitige Personalkrise ist keine Sackgasse, sondern die Chance, in die schon lange notwendige Veränderung zu gehen. Viel zu lange haben wir die menschlichen Bedürfnisse ignoriert und damit Krankheit in Kauf genommen. Außerdem ist es die Chance, dass die Berufe der Erziehung, Pflege und Betreuung wieder zu Traumberufen vieler werden! Denn Menschen begleiten zu dürfen, ist und bleibt eine wundervolle und erfüllende Aufgabe. Reden wir sie nicht länger schlecht und kümmern uns stattdessen um unsere Ressourcen und machen uns auf den Weg nach Lösungen!
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Zur Person
Katrin bringt langjährige Leitungserfahrung mit. Ursprünglich hat sie als Heilerziehungspflegerin begonnen und hat Kommunikations- und Betriebspsychologie M.Sc. studiert. Heute ist sie selbstständig als Coach, Trainerin und Dozentin zu den Themen Führung und Gesundheit unterwegs. Sie unterstützt Führungskräfte und Menschen, die mit hohem Anspruch an ihre Arbeit, Leistung, Gesundheit und Wohlbefinden für sich und ihr Umfeld für ein bestmögliches Ergebnis zusammenbringen wollen.
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