Apr 12

Macht in der Kita: Die Bedeutung von ausgewogener Autorität und Respekt vor den Kindern


Ein Artikel von Martin Guitoo
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„Ein Kind ist klein, sein Gewicht ist gering, es ist nicht viel von ihm zu sehen. Wir müssen uns schon oft zu ihm hinunterneigen. Und was noch schlimmer ist, das Kind ist schwach. Wir können es hochheben, in die Luft werfen, es gegen seinen Willen irgendwohin setzen, wir können es mit Gewalt in seinem Lauf aufhalten – wir können all sein Bemühen vereiteln.“ Janusz Korczak

Dieses Zitat von Janusz Korczak stammt aus dem Jahr 1929. Korczak hat bewusst die Macht thematisiert und den Kindern, mit denen er gearbeitet hat, Rechte zugestanden. Das hört sich heute selbstverständlich an, war jedoch in den 1920er- und 1930er-Jahren eine Revolution in der Pädagogik.  

Zunächst müssen wir verstehen, was Macht bedeutet. Macht ist ein politisch-soziologischer Grundbegriff, der im Kontext dieses Artikels als die Herrschaft von Menschen über Menschen definiert werden kann und unter anderem die Befugnis beschreibt, über jemanden zu bestimmen1 und das Verhalten anderer zu beeinflussen oder zu kontrollieren. Die Kita ist ein wichtiger Ort für Kinder, an dem sie lernen, spielen und wachsen können. Aber sie ist auch ein Ort, an dem Macht und Hierarchien eine Rolle spielen.

Arten der Macht 

In der Kita gibt es viele verschiedene Arten von Macht. Die offensichtlichste Form der Macht ist die Macht, die von den Erwachsenen ausgeübt wird. Die Erwachsenen haben die Verantwortung für die Kinder und bestimmen in vielen Bereichen des Alltags. Es gibt verschiedene Machtbereiche, die im Alltag sehr häufig vorkommen. Es ist wichtig, dies zu wissen, um sein eigenes Verhalten und das der Kolleg:innen zu reflektieren.

Die Pädagog:innen haben zum Beispiel die Handlungs- und Gestaltungsmacht. Sie entscheiden, wie der Raum gestaltet wird oder wie der Alltag strukturiert ist. Die Deutungs- und Definitionsmacht bestimmt im Alltag zum Beispiel, was gut und böse ist. Ich denke, dass alle die Situation kennen: Das Mittagessen wird auf den Tisch gestellt und es sieht nicht ansprechend aus. Es gibt Pädagog:innen, die dies bewerten. Dies kann nonverbal mit einem Augenrollen passieren oder mit einem Satz begleitet werden: „Wie sieht das denn aus?“ Mit einer sehr hohen Sicherheit werden die Kinder beeinflusst, und im schlimmsten Fall verweigern sie das Essen. Bei der Mobilisierungsmacht wird zum Beispiel die Gruppendynamik bewusst genutzt, um die Gruppe zu lenken. Die Gruppe wird bewusst mobilisiert, ohne dass die Kinder dies merken. Die letzte Machtform ist die Verfügungsmacht. Bei dieser Form wird zum Beispiel entschieden, welche Räume für die Kinder zur Verfügung stehen. 

Jede Machtform kann bewusst benutzt werden, um die Kinder zu beeinflussen. Dies ist eine Machtüberschreitung, die keinen Raum in der Pädagogik haben darf. Es muss sich im Team mit der Thematik Macht auseinandergesetzt werden, um zu prüfen, wo die Macht mit den Kindern geteilt werden kann.

Machtausübung 

In der Kita haben die Pädagog:innen eine zentrale Rolle. Sie sind für das Wohlergehen der Kinder verantwortlich und haben eine große Macht. Diese Macht kann auf unterschiedliche Weise ausgeübt werden. Zum einen gibt es die autoritäre Methode, bei der die Pädagog:innen die Kinder kontrollieren und ihnen wenig Freiheiten lassen.

Macht kann auf eine subtile Weise ausgeübt werden. Eine Erzieherin oder ein Erzieher, die oder der sich immer in den Mittelpunkt stellt und Entscheidungen trifft, kann die Macht über die Gruppe haben. Kinder können das Gefühl haben, dass ihre Meinung nicht zählt und dass sie sich den Wünschen der Erzieherin oder des Erziehers unterordnen müssen. Dies kann dazu führen, dass Kinder sich unsicher und unwohl fühlen.

Zum anderen gibt es die demokratische Methode, bei der die Kinder selbst entscheiden können und die Pädagog:innen als Begleiter:innen fungieren.  Die autoritäre Methode hat in der Kita keinen Platz. Sie führt dazu, dass Kinder Angst vor den Pädagog:innen haben und sich nicht frei entfalten können. Die demokratische Methode hingegen fördert die Selbstständigkeit und die Eigenverantwortung der Kinder. Sie können selbst entscheiden, was sie spielen möchten und wie sie ihre Zeit verbringen wollen. Die Erzieherinnen und Erzieher unterstützen sie dabei und helfen ihnen, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.

 Beteiligung an Entscheidungen

Damit Kinder ihre Entscheidungen treffen können, wird ein Rahmen benötigt. Zum einen ist es wichtig, dass sich alle im Team ihrer Macht bewusst sind, und zum anderen, dass die Kinder beteiligt werden. Nach den Leitlinien zum Bildungsauftrag in Kindertagesstätten von Schleswig-Holstein, muss sich jede Einrichtung zur Partizipation verpflichten. Beide Begriffe, Macht und Partizipation, bedingen sich gegenseitig. Mit der Partizipation geht immer eine Machtverteilung einher. Es ist unmöglich, Kinder am Alltag partizipieren zu lassen, ohne dass Pädagog:innen Teile ihrer Macht abgeben. Dieser Prozess muss vom Team offen und ohne Ängste begleitet werden. Es darf keine Scham in der Diskussion entstehen. Erst mit einem Bewusstsein von Macht kann besprochen werden, wie diese neu verteilt werden kann. 

Wenn Kinder in der Kita beteiligt werden sollen, müssen sie auch die Möglichkeit haben, ihre Meinungen und Bedürfnisse frei zu äußern. Die Pädagog:innen sollten die Kinder ermutigen, ihre Meinungen auszudrücken, und ihnen aktiv zuhören, ohne sie zu unterbrechen oder zu korrigieren. Die Kinder sollten das Gefühl haben, dass ihre Meinungen ernst genommen werden und dass sie in einem sicheren Raum frei sprechen können.

Selbstständigkeit fördern

Eine weitere wichtige Rolle spielt die Vermittlung von Werten und Normen. Hierbei ist es wichtig, dass die Pädagog:innen nicht nur ihre eigenen Vorstellungen und Werte an die Kinder weitergeben, sondern auch die Werte und Normen der Kinder respektieren und fördern. Es ist wichtig, dass die Kinder lernen, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, aber auch Rücksicht auf andere zu nehmen und sich an gemeinsame Regeln zu halten. 

In der Kita können auch Konflikte entstehen, die die Machtdynamik beeinflussen. Hierbei ist es wichtig, dass die Pädagog:innen als neutrale Vermittler auftreten und die Kinder ermutigen, gemeinsam eine Lösung zu finden. Es geht darum, die Kinder zu unterstützen, selbstständig und eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen. 

Insgesamt ist Partizipation in der Kita ein wichtiges Thema, das eng mit der Machtdynamik in der Gruppe verbunden ist. Die Pädagog:innen sollten sich ihrer Macht bewusst sein und eine gleichberechtigte Beziehung zu den Kindern aufbauen, um ihre Partizipation zu fördern. Es geht darum, den Kindern ein Gefühl von Autonomie und Selbstbestimmung zu vermitteln, aber auch Rücksichtnahme auf andere und gemeinsame Regeln zu fördern. Pädagog:innen sollten ihre Macht bewusst und verantwortungsvoll einsetzen. Sie müssen den Kindern Freiheiten lassen und sie ermutigen, eigene Entscheidungen zu treffen. Dabei sollten sie jedoch auch aufpassen, dass sie nicht in eine passive Rolle verfallen. Sie müssen weiterhin präsent sein und die Kinder unterstützen, wenn sie Hilfe benötigen.

Die Auseinandersetzung mit dem Thema Macht ist eine Chance für die Kinder, in einer partizipativen Umgebung groß zu werden. Es ist eine Chance für die Pädagog:innen, sich der eigenen pädagogischen Rolle sicherer zu werden und Beobachtungen im Team offen anzusprechen. Ein offener Umgang mit dem Thema Macht ist für alle Seiten ein Gewinn.

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