Sag nicht JA, wenn du NEIN sagen willst


Ein Lernartikel von Christa Maurer
Write your awesome label here.
Oft trauen wir uns nicht, das Nein auszusprechen, obwohl wir im Inneren spüren, dass wir die Bitte des Gegenübers nicht erfüllen wollen. Was ist der Grund?

Wir kennen vermutlich alle den Wunsch, unser Gegenüber nicht verletzen zu wollen. Wir haben vielleicht Angst vor Ablehnung, wenn wir eine Bitte nicht erfüllen oder wollen zeigen, dass wir viel zu leisten imstande sind und sagen deshalb nicht nein.

Dadurch muten wir uns viel zu, wahren unsere Grenzen nicht und können die sich auftürmenden Aufgaben kaum oder nur noch mit großem Kraftaufwand bewältigen. Wo bleibt dann da Raum für die eigene Kreativität? Daher lohnt es sich, sich anzuschauen, was die tieferen Gründe für das eigene Nicht-Nein-Sagen-Können sind und zu verstehen, was einem im Beruf und im Leben wirklich wichtig ist.

Abgrenzungsfähigkeit – Worum geht es, woran fehlt es?

Sich abgrenzen zu können ist eine Grundlage für authentisches Handeln und Präsenz im jeweiligen Moment. Damit gewinnen wir an Kraft, um uns in schwierigen oder stressigen Lebenssituationen zu behaupten. Daraus erwächst wiederum Kreativität und Freude am Tun, an der Arbeit. Warum fehlt es uns bisweilen an ausreichender Abgrenzung?

Um dies zu erforschen, heißt es, auf die innere Stimme zu hören, die uns Sätze sagt wie:
• „Ich möchte nicht unfreundlich erscheinen.“
• „Bestimmt sagt die andere dann nächstes Mal auch Nein, wenn ich eine Bitte habe.“
• „Ich fürchte mich vor der negativen Reaktion des anderen.“
• „Vielleicht ist die Person dann enttäuscht von mir und ich möchte ihr (und mir) dieses Gefühl ersparen.“

All diese vorweggenommenen Befürchtungen führen in uns zu einer Vermeidungsstrategie, denn den Gefühlen der Schuld, Scham und Angst gehen wir nur zu gerne aus dem Weg. Dies gilt im privaten wie im beruflichen Umfeld.

Der emotionale Hintergrund 

Die emotionale Ladung eines „Nein“ bringt oft eine Störung der Atmosphäre und des Kontakts zum Gegenüber. Daher ist die wichtigste Regel, dein Nein zum Inhalt mit einem Ja zum Menschen zu verbinden.

Jeder Mensch wünscht sich Respekt und Aufmerksamkeit. Wenn du deinem Gesprächspartner gegenüber aufmerksam bist (also wirklich zuhörst), ihm kurz verständlich machst, weshalb du Nein sagst, und idealerweise eine alternative Möglichkeit anbietest, die ihm weiterhilft, dann sind die Chancen groß, dass dein Nein keine Störung im Kontakt verursacht.

Die Strategie

Sage Nein, indem du Ja sagst. Das klingt zunächst paradox. Gemeint ist: Du sagst das Ja zum anderen wie auch zu dir selbst! Der Gedanke dahinter ist, dass dein Gegenüber ein Mensch ist wie du, mit seinem Grundrecht, respektvoll behandelt zu werden. Dies bedeutet das „Ja“ zum Menschen – auch wenn du sie oder ihn nicht unbedingt liebst. Jetzt kommt der wichtige Teil der Strategie: Von diesem „Ja“ unabhängig, ist die oftmals nötige Konsequenz und inhaltliche Klarheit, die ein „Nein“ zur Sache erfordert.

Eine ideale Verbindung ist es daher, wertschätzend und ruhig mit deinem Gegenüber umzugehen und gleichzeitig, klar und unbeirrt in der Sache zu sprechen.

Ein Beispiel

Stelle dir folgende Situation vor:
Eine Kollegin kommt auf dich zu, sie richtet eine Frage oder Bitte an dich. Du hast keine Zeit.
Verschiedene Dialogmöglichkeiten hierfür und ihre jeweilige Wirkung sind:
A. Du: „Ich habe überhaupt keine Zeit!!! Keine Chance!!!“ >> 🤔 
B. Du: „Gerne, Betty. "Bis wann brauchst du es spätestens?“
     a. Sie: „Bis Dienstag nächster Woche.“ >> 😊
     b. Sie: „Bis in einer Stunde.“ >> 🤔
     Du: „Und allerspätestens?“
     Sie: „Bis in zwei Stunden.“
     Du: „Welche Information brauchst du genau in allerspätestens 2 Stunden?“ >> 😊

Zwei weitere Beispiele, in denen du deine eigenen Bedürfnisse berücksichtigt und direkt ins Verhandeln gehst:

Ein Kollege kommt zu dir und möchte etwas. Du hast keine Zeit.
A. „Ich mache es gern für dich. Das Früheste, zu wann ich es machen kann,
ist morgen Vormittag.“
B. oder: „Ich glaube Herr X kann dir die Information auch liefern.
"Willst du ihn direkt fragen?“
C. oder: „Ich mache es gern. Jedoch arbeite ich gerade intensiv an Projekt A.
"Bitte lass uns zu meiner Führungskraft gehen und klären, ob dein Projekt vorrangig ist.“

Die Führungskraft kommt zu dir und möchte etwas. Du hast keine Zeit.
A. „Ich mache es gern zusätzlich. Was machen wir in diesem Fall mit der Fertigstellung von Projekt A? Wer kann mich dabei unterstützen?“
B. „Gerne übernehme ich das diesmal noch. Bitte wende dich in Zukunft an die neue Spezialistin X / unsere Fachabteilung Y.“

Dein Blick nach Innen - Was unterstützt dich?

Die oben beschriebenen Aussagen der inneren Stimme beziehen sich alle auf unsere Hoffnungen, die wir mit dem Ja-Sagen verbinden und die nur mit der fragenden Person zu tun haben. Also die Annahme, dass der andere uns nach meinem Ja-Sagen weiter gern hat oder wir seiner negativen Reaktion entgehen.

Wie wäre es, wenn wir uns stattdessen oder im gleichen Maß den potenziellen Gewinn vor Augen halten, der mit dem Nein-Sagen verknüpft ist? Der Gewinn könnte sein, mehr Selbstbestimmung zu erlangen, mehr Klarheit an den Tag zu legen und mehr zu den aktuellen eigenen Bedürfnissen zu stehen. Dieser Zugewinn macht uns zuFRIEDENer, ausgeglichener und stärkt unser Selbstvertrauen sowie unsere Unabhängigkeit von anderen.

Mach dir bei Wünschen und Bitten an dich stets klar, dass du ein Recht auf dein Nein hast. Das Nein kannst du im Gespräch auch sanft und doch gefestigt vertreten.

Besser Nein sagen lernen mit Hilfe der Gewaltfreien Kommunikation (GFK)

Die 4 Schritte der GFK kannst du hervorragend anwenden, um einerseits deine eigene gedankliche Gemengelage gut zu durchleuchten und andererseits das Ergebnis deiner Überlegungen mit innerer Klarheit mitzuteilen:

1. Bitte des Gegenübers mit Präsenz und Bewusstheit hören – ohne damit gleich zu einem Ja verpflichtet zu sein!
2. Um Bedenkzeit bitten – schließlich willst du nicht aus Gewohnheit gleich wieder Ja sagen!
3. Bitte mit deinen Worten wiederholen – und damit Verständnis und Einfühlungsvermögen ausdrücken!
4. Dein Nein aussprechen – inklusive Erläuterung deiner Gefühle, Bedürfnisse und Strategie

Der Vorteil der Anwendung dieser Kommunikationsmethode von Marshall Rosenberg besteht darin, dass du den Dialog mit der anderen Person auf Augenhöhe führst. Du machst dich ihr/ihm gegenüber weder kleiner noch größer. Durch diese Art der Kommunikation stehen eure beiden Wünsche nebeneinander und ihr seht, worin gerade der (mögliche) Konflikt besteht. Im weiterführenden Gespräch könnt ihr jetzt gemeinsam nach einer Lösungsidee forschen. Auf diese Weise kombinierst du die vielbeschworene Empathie mit deinem genauso wichtigen Selbstausdruck.

In Kürze 

Durch die beschriebene Selbstreflektion kommst du deinen persönlichen Glaubenssätzen und Sichtweisen auf die Spur und kannst eng gezogene Grenzen Schritt für Schritt erweitern. Probiere die verschiedenen Ansätze aus und vergrößere so das Spektrum deiner Möglichkeiten zum Handeln und Ver-Handeln und beobachte, wie sehr durch diese Veränderungen auch deine Freiheit wächst.

Stelle deine Selbstfürsorge mit in den Fokus und triff dann deine Entscheidung. Lass dich überraschen, ob künftig JA oder NEIN deine Antwort ist.
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Zur Person
Christa Maurer ist ausgebildete Diplom-Kauffrau und verfügt über langjährige Berufserfahrung als Führungskraft für Marketing & Kommunikation in mittelständischen Unternehmen. Dazu arbeitet Christa als freiberufliche Referentin in der Erwachsenenbildung. Die Schwerpunkte liegen dabei auf den Bereichen Kommunikation, Führung, Beruf und Karriere. Zusätzlich ist sie außerdem als Texterin für Business-Themen tätig.

Website: profilexpertin.de
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