Mar 14

Philosophieren mit Kindern? Nichts leichter als das!

Ein Lernartikel von Michael Siegmund
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„Warum bin ich hier, auf dieser Welt?“, „Wer bin ich eigentlich?“ und „Sind wir Menschen ganz allein im Weltall?“ Diese und viele andere philosophische Fragen beschäftigen nicht nur uns Erwachsene, sondern auch Kinder und Jugendliche. Vielleicht sind Kinder sogar die besten Philosophen, die es gibt: sie zweifeln, sie staunen, sie wundern sich, sie hinterfragen und träumen. In diesem Artikel erkläre ich dir die Grundlagen des Philosophierens mit Kindern und wie du spielend leicht selbst mit Kindern ins Philosophieren kommen kannst - egal ob zu Hause, in der Kita oder in der Grundschule.
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Was ist Philosophieren mit Kindern?

Dafür gibt es keine allgemeingültige Definition. Ich erkläre es immer so: Philosophieren mit Kindern ist ein dynamischer Denk-/Sprechprozess mit offenem Ausgang. Es geht hier nicht um die Weitergabe von Wissen oder um Philosophiegeschichte, sondern vielmehr um das praktische, alltagsnahe Nachdenken über „Gott und die Welt“. Vereinfacht gesagt geht es vor allem darum, mit Kindern gemeinsam über die „großen Fragen des Lebens“ nachzudenken und darüber ins Philosophieren zu kommen. Mögliche Themen für das gemeinsame Philosophieren sind beispielsweise das eigene Ich, die Welt, Gott, die Natur und Tiere, Freundschaft, Familie, Glück, Gut und Böse und viele weitere mehr.
Das Grundprinzip des Philosophierens ist fast immer gleich: Du stellst einem Kind oder einer Gruppe von Kindern eine philosophische Frage („Sind Kinder oder Erwachsene glücklicher?, „Was ist eigentlich Glück?“) und hörst dir in Ruhe die Antworten der Kinder an. Im Gespräch kannst du dann weitere Fragen zum Thema stellen und so den Prozess des Nachdenkens in Gang halten.
Ich möchte dich unbedingt dazu ermutigen, Kindern und Jugendlichen noch mehr Fragen als bisher zu stellen. Denn Kinder werden in einer Welt groß, in der es auf die allermeisten Dinge schon viele eindeutige Antworten gibt. Daher ist es umso spannender, sich auch einmal mit Fragen zu beschäftigen, auf die es keine richtigen oder falschen Antworten gibt und die viel gedanklichen Spielraum zulassen.
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Ab welchem Alter können Kinder mit dem Philosophieren beginnen?

Ich denke, man kann mit Kindern ab etwa 3 Jahren mit dem Philosophieren beginnen. Selbst Kinder in einem Alter von zwei Jahren lauschen dem einen oder anderen philosophischen Gespräch zwischen älteren Kindern und Erwachsenen und machen sich dabei auch so ihre Gedanken. Bei Kindern im späten Kindergartenalter ab ca. 5 Jahren ermöglicht das immer besser werdende logisch-rationale Denken dann noch komplexere, tiefgründigere Gespräche. Ganz allgemein kann ich dir empfehlen, so früh wie möglich mit dem gemeinsamen Nachdenken über “Gott und die Welt“ zu beginnen.
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Warum ist es sinnvoll, mit Kindern zu philosophieren?

Kinder profitieren in vielfacher Weise vom gemeinsamen Philosophieren. Das Denken, die Sprachfähigkeit und die Kreativität der Kinder werden gleichzeitig durch das Philosophieren trainiert. Daneben macht es auch noch großen Spaß (für die Kinder und Erwachsenen) und ist unglaublich interessant. Beim Philosophieren lernen die Kinder zudem, dass es nicht nur ihre Sichtweise auf die Welt gibt, sondern noch viele weitere. Unterschiedliche Perspektiven einnehmen zu können ist enorm wichtig und kann zu mehr Toleranz führen. Es ist auch für uns Erwachsene spannend, wenn wir beim Philosophieren die Blickwinkel der Kinder auf die Welt kennenlernen und damit unsere eigene Ansicht über diese Welt hinterfragen. Kinder zeigen uns durch ihre Offenheit und Neugier oftmals wie festgefahren und einseitig wir in unserer Wahrnehmung der Welt geworden sind. Deswegen profitieren vom gemeinsamen Philosophieren nicht nur die Kinder, sondern auch wir Erwachsene.
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Was gilt es beim Philosophieren mit Kindern zu beachten?

Seit über 10 Jahren philosophiere ich schon mit Kindern und Jugendlichen und dabei haben sich einige Grundsätze bewährt. Einige davon möchte ich dir mit auf den Weg geben, damit du leicht ins Philosophieren mit Kindern einsteigen kannst.
Zuallererst ist es ratsam, dir ein Thema zu überlegen, das die Kinder interessieren könnte. Manchmal kommen Kinder aber auch von sich aus auf bestimmte Themen, die sie gerade beschäftigen. Viele Kinder fragen sich z. B. warum Erwachsene so wenig Zeit für sie haben und nicht mit ihnen spielen können, sondern so viel arbeiten müssen. Ein weiteres Thema, das viele Kinder bewegt, ist die Freundschaft. Wenn der beste Freund/die beste Freundin aufgrund eines Streits nicht mehr mit ihnen spielt, ist das aus Kinderperspektive für sie ein enormes Problem. Beim Philosophieren kommt gerade auch bei älteren Kindern oft das Thema „Freiheit“ zur Sprache, da sie sich durch Regeln und Gebote in der Familie, der Schule und der Gesellschaft eingeschränkt fühlen. Wähle ein Thema aus und notiere dir dazu einige philosophische Fragen.
Nun geht es darum, eine geeignete Umgebung zu finden, in der du mit den Kindern philosophieren möchtest. Ich bevorzuge Orte in der Natur, wie z. B. einen Wald, einen Strand oder eine Wiese. Die Natur selbst kann dich und die Kinder während eures gemeinsamen Gesprächs inspirieren und hält zudem Vieles bereit, über das man nachdenken kann. Du kannst dir aber z. B. auch zu Hause oder in der Kita ruhige und gemütliche Bereiche suchen, in die ihr euch zurückziehen könnt, um in Ruhe gemeinsam zu philosophieren.
Entscheidend beim Philosophieren ist, dass du deine eigene persönliche Meinung hinten anstellst und den Kindern aufrichtig zuhörst. Schenke den Kindern deine maximale Aufmerksamkeit und lasse sie in Ruhe ausreden. Werde dir auch immer wieder deiner eigenen Körpersprache bewusst und wende dich den Kindern wirklich zu.
Sollte das gemeinsame philosophische Gespräch einmal nicht so recht in Gang kommen, formuliere deine Fragen ein wenig um oder stelle neue Fragen. Alternativ kannst du auch ein komplett neues Thema beginnen, welches die Kinder vielleicht mehr anspricht. Zudem gibt es mehrere unterschiedliche Methoden, mit denen du einen leichten Einstieg ins Philosophieren mit Kindern finden kannst. Einige dieser Methoden stelle ich dir gleich noch vor.
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Welche Themen und Fragen eignen sich am besten für das Philosophieren?

Wie schon erwähnt, gibt es zum einen die „klassischen Themen“ wie etwa Glück, Freundschaft, Zeit, Freiheit, das eigene Ich, Gerechtigkeit, Gott, Gut und Böse, Tiere oder Familie, um nur einige zu nennen. Wenn du mit Kindern etwa über „Freundschaft“ philosophieren möchtest, könntest du fragen „Was ist Freundschaft für dich?“ oder „Ist Freundschaft oder Familie wichtiger? Oder sind beide gleich wichtig?“ Ich versuche als Einstiegsfrage oft einen Bezug zum Leben der Kinder herzustellen, um somit einen guten Zugang zu den Kindern zu bekommen.
Ein weiteres Thema, das die Kinder immer spannend finden, sind Tiere. Auch hier gibt es zahlreiche Fragen, um einen leichten Einstieg zu bekommen, wie z. B. „Haben Tiere Gefühle? So wie wir Menschen?“, „Darf man Tiere essen?“ oder „Ist es gut oder schlecht, dass Tiere in Zoos leben?“ Das Thema „Tiere“ eignet sich zum Philosophieren auch deswegen so gut, weil die Tiere im Leben der Kinder oft eine große Rolle spielen und für sie sehr wichtig sind.
Auch das Thema „Gefühle“ spricht viele Kinder sofort an und bietet reichhaltigen Gesprächsstoff. „Wovor hast du Angst?“, „Warum gibt es eigentlich Angst?“, „Wann warst du das letzte Mal so richtig mutig?“ oder „Gibt es ‚schlechte‘ Gefühle?“ sind nur einige spannende Fragen zum Thema „Gefühle“. Gerade bei diesem Thema ist es wichtig, dass du sensibel auf die teilweise sehr persönlichen Antworten und Geschichten der Kinder reagierst.
Daneben gibt es aber auch noch viele weitere Themen, über die du mit Kindern philosophieren kannst, z. B. über Roboter („Kann ein Roboter irgendwann Gefühle haben, so wie ein Mensch“?), Arbeit („Arbeiten die Menschen zu viel?“), Kinder und Erwachsene („Ist es besser, ein Kind oder ein Erwachsener zu sein?“) oder Stärken und Schwächen („Welche Superkraft würdest du gerne haben?“). Die möglichen Themen zum Philosophieren sind vielfältig. Schau einfach, was bei „deinen“ Kindern/Jugendlichen am besten ankommt.
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Welche Methoden kann ich zum Philosophieren mit Kindern nutzen?

Du kannst auf viele verschiedene Weisen mit den Kindern philosophieren. Damit du einen möglichst leichten Einstieg hast, möchte ich dir im Folgenden vier Methoden kurz vorstellen, die sich allesamt hervorragend in der Praxis bewährt haben. 

Die Bilder-/Fotomethode
Kauf dir am besten ein Naturmagazin oder eine Zeitschrift mit großformatigen Bildern von Naturlandschaften, Tieren, dem Weltall usw. Entferne vorab aus dem Magazin alle Seiten, die sich um Gewalt und Sexualität drehen. Alternativ kannst du auch spezielle Naturmagazine für Kinder kaufen. Lass das Kind nun mit dir gemeinsam im Magazin blättern. Stelle zu den Bildern, bei denen das Kind „hängen bleibt" einige philosophische Fragen. Wenn das Kind beispielsweise ein Bild einer chinesischen Megacity mit gigantischen Hochhausschluchten betrachtet, könntest du fragen: „Sind die Menschen, die dort leben glücklich?“ und weiterfragen „Was ist Glück eigentlich?“, „Bist du glücklich?“, „Was macht dich richtig glücklich?“ Wenn ihr euch dann über das Glück unterhalten habt, blättert ihr gemeinsam einfach weiter, bis zum nächsten interessanten Bild. Du nutzt bei dieser Methode also die Bilder und Fotos als Einstieg ins Philosophieren. Der große Vorteil ist, dass Kinder Bilder und Fotos lieben und du sofort ihre Aufmerksamkeit hast. Allerdings solltest du bereits ein umfangreiches Fragen-Repertoire besitzen, damit du spontan zu den unterschiedlichen Bildern reagieren kannst.

Der Kronentrick/König der Welt
Auch bei dieser Methode brauchst du ein kleines Hilfsmittel: eine Königskrone. Jetzt „krönst“ du feierlich ein Kind und begibst dich in die Rolle eines „philosophischen Hofschreibers“. Als Hofschreiber stellt du dem Kind nun die Frage, wie sich die Welt unter seiner/ihrer Herrschaft verändern solle und schreibst die „Befehle“ des jungen Königs oder der jungen Königin auf. Das Kind hat dabei unbegrenzte Macht und Geld zur Verfügung. Im Anschluss könnt ihr dann über die Befehle und die Gedanken der Kinder ins Gespräch kommen. Hier werden meistens eine ganze Vielzahl von Themen angesprochen (Macht, Geld, Armut und Reichtum, Glück u.v.m.), welche nun durch philosophische Nachfragen weiter besprochen werden. Besonders schüchterne Kinder profitieren von dieser Methode, denn für das gekrönte Kind ist es eine ganz besondere Erfahrung, einmal alles alleine bestimmen zu dürfen und König der Welt zu sein.

Der klassische Gesprächskreis
Diese Methode lehnt sich an Diskussionsrunden und anderen Gesprächskreisen (z. B. in der Schule) an. Den klassischen Gesprächskreis kannst du z. B. auf Kissen sitzend oder auf Stühlen im Kreis gestellt durchführen. Beim Gesprächskreis steht oft ein einzelnes philosophisches Thema im Zentrum, das du etwa mit Bildern oder Gegenständen, die du in der Mitte platziert, veranschaulichen kannst. Bereite das Gespräch so gut es geht vor, indem du dir das Thema und mögliche Fragen im Vorfeld überlegst. Die Kinder sind oftmals bereits mit der Methode des Gesprächskreises vertraut.
Neben einzelnen Themen, die ihr besprecht, kannst du den Gesprächskreis auch dazu verwenden, um „frei“ zu philosophieren. Dabei kannst du z. B. nacheinander viele unterschiedliche philosophische Fragen stellen und dann in einer entspannten Frage-Antwort-Runde mit den Kindern philosophieren. Andersherum können die Kinder auch gerne selber ihre „großen“ Fragen des Lebens stellen, über die ihr dann in der Gruppe gemeinsam nachdenkt.

Geschichten erzählen und Fragen stellen
Kinder lieben Geschichten und es lohnt sich, dieses Interesse mit philosophischen Fragen zu verbinden. Entweder denkst du dir spontan Geschichten aus oder du liest aus den Lieblingsbüchern der Kinder vor. Da sich Geschichten auch immer um die „großen Fragen“ des Lebens drehen, eignen sie sich als perfekter Einstieg ins Philosophieren. Du kannst beim Vorlesen der Geschichten kleine Pausen einbauen und dann den Kindern zu der jeweiligen Seite oder ganz am Ende der Geschichte philosophische Fragen stellen. Kinder werden es lieben, dir ihre Gedanken dazu mitzuteilen.
Sollte dein Interesse am Philosophieren mit Kindern geweckt worden sein, dann probiere es doch bei der nächsten Gelegenheit gleich einmal aus! Ein wichtiger Gedanke noch zum Schluss: Hab’ einfach Spaß beim Philosophieren!
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Zur Person
Michael Siegmund philosophiert seit vielen Jahren mit Kindern und Jugendlichen und ist Autor zahlreicher Bücher. Er setzt sich für eine flächendeckende Etablierung des Philosophierens mit Kindern in Schulen und Kitas ein. Er arbeitet als Ethiklehrer und Sozialpädagoge am Privatgymnasium Tangermünde/Stendal und engagiert sich kommunalpolitisch bei der Wählergruppe der "Freien Stadträte Tangermünde".